Golo Mann hat sein geradezu klassisches Geschichtswerk bis zum Ende der Epoche Adenauer weitergeführt und besonders bei der Darstellung des 1. Weltkriegs und seiner Entstehung die jüngsten Forschungsergebnisse kritisch aufgearbeitet. Deutsche Geschichte, frei von Vorurteilen und Klischees: das ist produktive Geschichtsschreibung in der Tradition großer historischer Schriftsteller wie Mommsen.
„Verdammtheit wacht auf, sie lebt, sobald man sich in sie vertieft. Nicht so daß praktische Ratschläge aus ihr zu gewinnen wären. Aber so, daß wir in ihr den Mensch kennenlernen und dadurch auns selber; die Anlagen und Möglichkeiten unseres Volkes; sein Versagen wie seine Schöpfungen; die Herkunft der Gegenwart. Wie die Geschichte arbeitet und wie die einzelnen sich in ihr bewährt haben oder nicht; wie sie das Gute wollten und irren mußten; eingefangen wurden in Konflikten, die sie nicht lösen konnten. Und was sie recht machten. Die bohrenden, bis zum letzten mutigen Analysen eines Max Weber, die klugen kräftigen Warnungen Bebels, die immer frische, praktische, scharf formulierte Weisheit Bismarcks, das geistvolle persönliche Drama Ferdinand Lassalles, Freiherr von Steins hoher Begriff vom Deutschen und vom Menschen, Metternichs kühles, erfahrenes Europäertum, die dröhnende, wandelreiche, immer von Wahrheitsliebe und Glauben geadelte Schriftstellerei des Joseph von Görres – das sind lebendige Geistesquellen, jede auf ihre Art. Vergessen wir die Gescheiterten nicht, die Märtyrer; angefangen mit jenen, die an der Härte des napoleonischen Zeitalters zugrunde gingen, die 1849 strengen, knöchernen Siegern zum Opfer fielen, ended mit den Männern und Frauen des deutschen Widerstandes. Die waren menschlich groß, die waren gut; ehrender Erinnerung wert …“
„In diesem prachtvoll balancierten Buch unternimmt Golo Mann, die deutsche Geschichte seit der Französischen Revolution zu erzählen und zu analysieren. Dieser Versuch, den Wurzeln der deutschen Gegenwart nachzugraben, mutet mit seinen beinahe tausend Seiten, nicht nur äußerlich, imposant an. Er ist ein kühnes geglücktes Unterfangen, dem der große Atem der Historie so wenig abgeht, wie das sorgsame Bemühen um die rechte Distanz. Selbst in der Geschichte des Dritten Reiches bewährt sich noch der angespannte Wille zu ‚objektivem‘, das heißt die Sache gerechtem Urteil.“
Fritz René Allemann in der Hamburger ‚Zeit‘
0532
Autoren: Golo Mann
Verlag: C. Bertelsmann
Lizenzausgabe 1966 (Erstausgabe 1958, Deutschland)